26.04.2015 Rede Philippsburg DR. MICHAEL WILK

Liebe Anwesende,

wir stehen hier um an das atomare Desaster von Tschernobyl zu erinnern. Die Kernschmelze am 26.4.1986 wurde damals als „sowjetische“ Katastrophe definiert, westliche AKW dagegen als technisch überlegen und sicher dargestellt. Doch spätestens mit dem Desaster von Fukushima im März 2011 wurde die Lüge von der Überlegenheit westlicher Technologie offenbar.

Die Geschichte der Atomtechnologie – der zivilen wie auch der militärischen- ist eine Aneinanderreihung von Lügen und Betrug. Sie sollen hinwegtäuschen über einen skrupellosem Umgang mit Mensch und Natur -tausende Tote und erkrankte Menschen, verseuchte Gebiete wurden einer Technologie geopfert die strategisch-ökonomisch Macht und Profit garantierte. Das Mantra von der sauberen, billigen und grenzenlos vorhandenen Energie, klingt uns noch im Ohr- über Jahrzehnte verbreiteter Unsinn, der dazu diente die Milliardengewinne der Energiekonzerne popagandistisch abzusichern.

Lügen, die nun teuer zu stehen kommen, atomare Altlasten, hunderte von Castoren angefüllt mit hochradioaktivem Abfall, Unmengen mittel und schwachstrahlende Abfälle, alle vorläufig „sicher“ entsorgt in Zwischenlagern an den AKW´s, (möglich, Dank einer Genehmigung des damaligen grünen Umweltbundesministers Trittin), oder auch „sicher entsorgt“ in der mit Wasser volllaufenden Asse.

Über Jahrzehnte diente der politstrategisch als geeignet definierte Salzstock in Gorleben als Entsorgungsnachweis – Bedingung für den Weiterbetrieb  der AKWs – unsicher für die Einlagerung von Atommüll- sicher jedoch als Beleg für die menschengefährliche und verbrecherische Absurdität deutscher Politik.

Lug und Trug drohen sich jedoch auch fürderhin fortzusetzen.

Im Sommer 2011 wurde die Stilllegung von acht AKW gesetzlich beschlossen. Nach Fukushima und unter  dem Druck der Anti-AKW-Bewegung musste der Versuch unternommen werden die Situation zu befrieden. Nach geltendem Recht ist jedoch eine Stilllegung erst unumkehrbar, wenn die Behörden den Stilllegungsantrag genehmigt haben und dieser die Betriebsgenehmigung ersetzt. Inzwischen sind fünf Stilllegungssanträge gestellt, jedoch z.T. mit Vorbehalt: RWE stellte seine Anträge für Biblis A+B vorbehaltlich des Ausgangs der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, Vattenfall macht die Stilllegung von Brunsbüttel sogar von der Inbetriebnahme des Atommülllagers Schacht Konrad bis 2018 abhängig, bei Krümmel hofft Vattenfall sogar auf einen Sieg vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof und weigert sich, einen Stilllegungsantrag zu stellen.

De fakto sind  die Abschaltungen noch nicht unumkehrbar. Dies und die Tatsache, dass neun AKWs ihren hochgefährlichen Betrieb ( bis 2022 oder länger?) fortsetzen, und in dieser Zeit weiter Atommüll produzieren, entlarvt das Ausstigsszenario als gefährlich und inkonsequent.

Die Erkenntnis einer völlig ungelösten Lagerperspektive  für radioaktiven Müll kommt staatlicherseits außerordentlich spät und bezeugt die Fahrlässigkeit und Verantwortungslosigkeit im Umgang mit Atomenergie. Nicht nur die physikalisch- technischen Fragen sind ungelöst, auch die Finanzierung.

Die Mittel der Energiekonzerne reichen bei weitem nicht aus um die Kosten für die Lagerung zu decken (36 Mrd. seien vorhanden, 50-70 Mrd. werden jedoch veranschlagt), für die Differenz sollen die BürgerInnen aufkommen, getreu der Devise für sie der Profit, für uns das Risiko und die Folgekosten. Der zeitliche Rahmen ist lang: So soll das „Endlager“ 2075-2130 stehen, der Verschluss soll „zwischen 2095 und 2170“ (Zit. ARD) erfolgen.

Unübersehbar steigt der Druck der Lagerproblematik. Nicht nur das Problem an sich, sondern auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung wird gefürchtet. Zur Konfliktvermeidung bittet die Politik zum Runden Tisch: Die sogenannte „Endlager-Suchkommision“ arbeitet seit Mai 2014. Ihr gehören 33 PolitikerInnen, Fachleute und VertreterInnen der Zivilgesellschaft an- darunter auch zweier Umweltverbände, die als Feigenblätter fungierend die Ausgewogenheit des Gremiums dokumentieren sollen.

Massiv vertreten Energielobbyisten und Vertreter der Atombetreiber, die einerseits im Gremium mitarbeiten, andererseits gegen die Stilllegung der AKW klagen. Vorgegaukelt werden soll BürgerInnennähe, Mittbeteiligung, das gesamtgesellschaftliche verantwortungsvolle Bemühen um eine Lösung des Atommülllagerungsproblems. Wohl gemerkt nur das des hochradioktiven Mülls, mit Mittel und Schwachradioaktivem Müll beschäftigt sich das Gremium nicht. Gorleben ist dabei- vor allem auf Betreiben der Atomlobby- weiter eine Standortoption.

Es handelt sich um einen Mittmach-Fake: Nachdem die Betreiber schon immer verantwortungslos handelten, seit Jahrzehnten kassieren und munter Atommüll produzieren, sollen wir nun  gesellschaftlich die Gesamtverantwortung übernehmen – wo es um die Lagerung des Atomgifts geht. Nun sollen wir mitmachen, sollen eingebunden werden- wirklich zu sagen hätten wir dabei jedoch nichts. Das Gremium kann Vorschläge machen- die Entscheidung liegt bei der Politik, kein Vetorecht, keine Option auf Volksentscheid.

Obwohl wir viel zu sagen hätten, werden wir es nicht in einer solchen Kommission tun und uns damit instrumentalisieren lassen.

In diesem Zusammenhang gedenken wir neben Tschernobyl, noch einem anderen wichtigen Datum. Einem Datum, das für eigene Kraft, Mut und Widerstand steht. Vor vierzig Jahren, 1975 besetzten die Badischen Bürgerinitiativen gemeinsam mit vielen Menschen vom Kaiserstuhl bei Freiburg den Bauplatz des geplanten AKW Wyhl- welches letztlich am Widerstand der Bevölkerung scheiterte und nicht gebaut wurde.

Die Anti-AKW-Bewegung hat seit dem viele Höhen und Tiefen erlebt. Sie hat es verstanden sich der Kriminalisierung zu widersetzen. Sie ist zu einer sozialen Bewegung geworden, die erbittert, aber nie verbittert Widerstand  geleistet hat. Sie hat eigene Formen der Organisierung entwickelt, unabhängig und kritisch gegenüber staatlicher Reglementierung. Wyhl oder auch Wackersdorf stehen hier für verhinderte Projekte der Betreiber, Gorleben für die Entwicklung einer einzigartigen Widerstandskultur. Es gab jedoch auch erfolgreiche Versuche der Bestechung, der Wiedereinbindung in parlamentarische Regularium der Macht.  Grüne Opportunismus und fatale Kompromissbereitschaft in Sachen Atom stehen für diese erfolgreiche Strategie staatlicher Herrschaft. Es zeigt sich einmal mehr, nur der Druck der Straße ändert die Verhältnisse. Atomausstieg ist eben doch Handarbeit.

Zeigen doch gerade die Auseinandersetzungen in Sachen Ökologie versus Atomenergie den Erfolg beharrlicher Aktivität. Auch wenn der sogenannte „Einstieg in den Ausstieg“ mangelhaft und unzureichend ist, und darüber hinaus auch einen Befriedungsversuch darstellt,- er wäre nicht erfolgt, wenn nicht die Anti-AKW- Bewegung den sozialen Druck erzeugt hätte. Diesen gilt es aufrecht zu erhalten. Und wir werden ihn aufrechterhalten. In diesem Sinne werden wir als Bürgerinitiativen weiter verantwortungsvoll handeln.

Wir stellen klar und fordern: Tschernobyl und Fukushima sind nicht vergessen, Atomanlagen sind hochgefährlich- abschalten sofort!

In Sachen Atommüllentsorgung ist Vermeidung oberstes Gebot- Abschaltung sofort!

Solange verantwortungslos von Betreiber und Regierungsseite Anlagen weiterlaufen und Atommüll produziert wird, sagen wir: Nix rein , nix raus- keine Castortransporte! Wir werden und querstellen!

Wir fordern weiterhin: Abschaltung unumkehrbar machen, Stilllegung muss sofortiges Ende der Betriebsgenehmigung bedeuten.

Gorleben ist keine Option in Sachen Atommülllager!

Alle Fragen zu Stilllegungskonzepten, Rückbau oder „Einschluss“ haben unter höchsten Sicherheitsanforderungen zu erfolgen. Die Umfassende Information der Öffentlichkeit ist Bedingung, eine Beteiligung bereits im Planungsstadium mit Veto/Widerspruchsrecht unabdingbar.

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