Gärtnern für ein gutes Leben: Interview des Medienprojekts Zwischenzeit mit Ralf Dreis zur Lage im Gartenbau
Zwischenzeit: Eine Studie des hessischen Landwirtschaftsministeriums hat ausgerechnet, dass der Gartenbau in Hessen ein Umsatz von 5,3 Milliarden Euro erzielt. Das ist jede Menge Kohle. Haben die Angestellten etwas davon?
Ralf Dreis: Na ja, so pauschal formuliert macht die Frage wenig Sinn, da die 5,3 Milliarden natürlich auf unglaublich viele größere und kleinere Gartenbaubetriebe und alleine vor sich hinwurstelnde Gärtner_innen verteilt werden. Aber klar, alle die in diesem Bereich arbeiten, bekommen ein kleines Stück von diesem Kuchen ab. Um genauer darauf antworten zu können muss man sich die einzelnen Betriebe anschauen, die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und Löhne miteinander vergleichen und dann entscheiden ob sich der Verkauf der eigenen Arbeitskraft gerechnet hat.
Z: Ich versuchs mal konkreter: Wie würdest du die Arbeitsbedingungen in der Branche beschreiben?
RD: Es ist schon auffällig, dass die Arbeitsbedingungen und Lohnzahlungen sehr unterschiedlich sind. Für die Betroffenen ist es dabei auch gar nicht so einfach durchzusteigen, was ihnen denn eigentlich laut Tarif zusteht. Ein paar Beispiele: Schon die Tariftabelle führt mindestens 26 verschiedene Lohnstufen im Gartenbau auf. Von ungelernten und angelernten Aushilfen, Auszubildenden über Gärtnergesell_innen mit und ohne Berufs-erfahrung, Altgesell_innen, Anleiter_innen, Meister_innen, und, und, und reicht die Palette und dann ist es auch noch ein Unterschied, ob du als Florist_in oder Gartenlandschaftsgärtner_in oder Friedhofsgärtner_in bezahlt wirst. Als Anhaltspunkt für ausgelernte Gärtner_innen, sozusagen als unterste Lohngrenze egal in welchem Garten-baubereich, würde ich hier einmal einen Tarifecklohn von 11,85 Euro die Stunde ansetzen. Wer weniger verdient, sollte unbedingt nachfragen, wie es mit ‘ner Lohnerhöhung aussieht. Auch wenn der Chef/die Chefin behauptet, nach Tarif zu bezahlen, heißt das noch lange nicht, dass du korrekt bezahlt wirst. Einige Firmen bezahlen nämlich nicht nach Gartenbautarif, sondern nach Gebäudereiniger_innentarif. Das wird dann damit begründet, dass diese Firmen eben verschiedene Arbeiten ausführen und sich den niedrigeren Tarif für ihre Angestellten aussuchen, auch wenn dein Haupteinsatzgebiet der Gartenbau ist. Viele wissen auch einfach nicht über ihre Rechte Bescheid. Auch Minijobber_innen, Aushilfen und Saisonarbeitskräfte haben z.B. Anspruch auf Urlaub und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Wer das nicht weiß und somit auch nicht einfordert, akzeptiert eine indirekte Lohnkürzung, weil nur für tatsächlich gearbeitete Stunden bezahlt wird.
Oder ein weiteres Beispiel: Für Festangestellte sieht der Tarifvertrag zum Beispiel 30 Urlaubstage im Jahr vor, in einigen Betriebe werden aber nur 24, 26 oder 28 Urlaubstage genehmigt. Auch das ist eine indirekte Lohnkürzung die mensch nicht hinnehmen sollte. Grundsätzlich gilt es immer genau nachzufragen und nichts als gegeben oder unabänderlich hinzunehmen. Außerdem möchte ich betonen, dass ein Tarif natürlich nicht das Ende der Fahnenstange darstellt. Dass wir für die vergleichsweise harte Arbeit so beschissen bezahlt werden, liegt auch am schlechten Organisierungsgrad der Gärtner_innen. Wer nichts für sich erkämpft, braucht sich nicht zu wundern, dann ausgebeutet zu werden. Zum Thema Arbeitsschutz: Ohrenschützer, Arbeitsklamotten, Schnittschutzhosen bei Motorsägearbeiten, Sicherheitsschuhe … all das muss vom Betrieb gestellt werden und dient unserer Gesundheit, weshalb mensch sich nicht zu schade sein sollte, danach zu verlangen!
Z: Der Staat ist nicht selten Auftraggeber für Gärtner_innen. Im Zuge der Austeritätspolitik in der Krise – Stichwort Schuldenbremse – stehen aber insbesondere Kommunen immer weniger Mittel zur Verfügung. Wirkt sich das auf die Gärtner_innen aus?
RD: Ob es sich schon direkt auf die städtisch angestellten Gärtner_innen auswirkt, kann ich nicht beurteilen. Meines Wissens sind deren Arbeitsbedingungen im Vergleich noch echt gut und korrekt. Auf alle in der so genannten freien Wirtschaft Angestellten hat die Schuldenbremse insofern Auswirkungen, dass städtische oder stadteigene Betriebe immer weniger Geld zur Verfügung haben und es auch in diesen Bereichen nicht mehr um öffentliche Daseinsvorsorge, sondern nur noch um schwarze Zahlen geht. Kurz gesagt: Der ehemals öffentliche Sektor wird komplett durchkapitalisiert, mit allen bekannten Auswirkungen. Bei Neuausschreibungen für Pflegeaufträge von Grünanlagen werden dementsprechend Billiganbieter bevorzugt, deren Angestellte mit mehr Stress für weniger Geld und mit weniger Rechten ausgebeutet werden. Auf Dauer wird so eine Spirale in Gang gesetzt, die immer schlechtere Arbeitsbedingungen und immer weniger Geld für alle bedeuten.
Z: Der Gartenbau gilt als klassischer Einsatzbereich fürEin-Euro-Jobs. Wer profitiert davon, wenn Gärtner_innen für einen so niedrigen Lohn rackern müssen?
RD: Niemand außer dem_der Arbeitgeber_in. Das ist Ausbeutung pur und muss mit allen Mitteln bekämpft werden.
Z: Die FAU hat diesen Januar die Gärtner_innen-Offensive gestartet. Wie geht es voran?
RD: Es geht nur sehr schleppend voran. Auf unseren Aufruf gab es zwar erst einmal nur positive und ermutigende Rückmeldungen. „Endlich“, „wird auch Zeit“, „Superinitiative“ waren nur einige der Reaktionen, wenn wir mit den Kolleg_innen auf den Baustellen geredet haben. In den abendlichen Treffen wurde aber schnell klar, dass die meisten nicht Willens sind oder sich nicht in der Lage sehen, in eine Auseinandersetzung mit dem Chef/der Chefin um mehr Lohn, mehr Urlaub oder bessere Arbeitsbedingungen zu gehen. Die Leute haben schlicht Angst rauszufliegen, wenn sie Forderungen aufstellen. Vielleicht fehlt auch so etwas wie persönliches Rückgrat, das bekommt mensch ja auch hier nicht gerade beigebracht. Die Propaganda der Mainstreampresse besagt ja eher, dass mensch glücklich sein sollte, überhaupt arbeiten zu dürfen, egal wie diese Arbeit aussieht. Zumindest ist es so, dass alle dachten, wir als FAU würden etwas für sie tun, ohne dass sie selbst sich bewegen müssen. Wenn klar war, dass wir nicht für sondern mit jemensch, also in einem gemeinsamen Organisierungsprozess kämpfen wollen und das natürlich auch damit verbunden ist, eine Forderung gegenüber dem eigenen Chef/der Chefin zu formulieren, war der Kampfesmut schnell verflogen. Momentan legen wir den Schwerpunkt weiterhin darauf, die Leute über ihre Rechte aufzuklären. Nach dem Motto: Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch durchsetzen!
Z: Was wollt ihr bis 2020 erreicht haben?
RD: Dass auch Gärtner_innen Teil einer kämpferischen und emanzipatorischen Bewegung für gute Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Menschen sind. Dass dem kapitalistischen Dogma „Hauptsache Arbeit“ endlich etwas entgegengesetzt wird. Der Sinn unseres Lebens ist es nämlich nicht sich für den größtmöglichen Profit anderer ausbeuten zu lassen, sondern ein möglichst erfülltes und glückliches Leben zu genießen.