Ermittlungsverfahren gegen „letzte Generation“:
Klimaschutz ist kein Verbrechen !
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat vorletzte Woche gegen sieben Menschen, die sie der Gruppe „letzte Generation“ zurechnet, Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigunggem. § 129 StGB eingeleitet. Im Zuge der Ermittlungenfanden Razzien in sieben Bundesländern statt, Konten wurden beschlagnahm und Vermögen eingefroren. Die Website der Gruppe wurde stillgelegt.
Nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Münchenrichten sich die Verfahren u.a. gegen die Organisierung einer Spendenkampagne, um „mit den eingenommenen Spendenneue Straftaten zu begehen“. Die Verfahren seien wegen „zahlreicher Strafanzeigen aus der Bevölkerung , die seit Mitte 2022 eingegangen seien, eingeleitet worden“.
Unter einer kriminellen Vereinigung wird eine Gruppe vonmindestens zwei Menschen verstanden, die sich dauerhaft zusammengeschlossen hat, um Straftaten zu begehen . Bisher ist diese Vorschrift auf Organisationen wie die Mafia, Rockergruppen ,rechte Kameradschaften und autonome Strukturen angewandt worden. Das gewaltfreie Klima-Aktivistinnen unter den Verdacht geraten, eine kriminellenVereinigung , zu bilden und zu unterstützen , ist juristisches Neuland.
Ermittlungsverfahren gem. § 129 StGB eröffnen den Strafverfolgungsbehörden alle Möglichkeiten, die Strafprozessordnung und Strafgesetzbuch zu bieten haben (u.a. Hausdurchsuchung, Observation, Telefonüberwachung,Einziehung von Geld und Vermögen, Internetüberwachung. Durch den Schwerpunkt der Ermittlungen auf die Spendenkampagne lassen sich beliebig viele neue Ermittlungsverfahren einleiten. Jede Spenderin ist eine potentielle Unterstützerin der „kriminellen Vereinigung“.
Wir halten die Ermittlungsverfahren für einen juristischen und politischen Skandal.
Die Verdächtigung der letzten Generation als kriminelle Vereinigung ist bezogen auf die historischen Beispiele von Verfahren zu dieser Norm und der tatsächlichen Praxis der Gruppe absurd und abwegig.
Der Skandal im Skandal ist die Tatsache, dass das bayerische Landeskriminalamt auf der stillgelegten Website der Gruppe -in völliger Negierung der grundgesetzlich geschützten Unschuldsvermutung – die letzte Generation bereits als kriminelle Vereinigung bezeichnet hat.
Wir, der Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden (AKU), setzen uns seit über 40 Jahren für Umwelt- und Klimaschutz z.B. gegen den Betrieb von Atom- und Kohlekraftwerden, den Ausbau des Frankfurter Flughafens und für eine Straßenbahn in Wiesbaden,ein. Wir setzen dabei auf Information, direkte Aktionen und zivilen Ungehorsam. Wir arbeiten seit über 40 Jahren gegen die Arroganz der Macht und Mächtigen.
Kriminelle Vereinigung ist für uns die organisierte,verbrecherische Ausbeutung von Mensch und Natur, die Vergiftung von Luft, Erde, Wasser, der Verbrauch von Ressourcen zu Lasten zukünftiger Generationen. Der Versuch hingegen, Protest zu kriminalisieren, indem er zur „kriminellen Vereinigung“ erklärt wird, ist inakzeptabel.Unverantwortliche Zuschreibungen wie „Taliban“ oder „Klima-RAF“ haben den Boden bereitet für das Ermittlungsverfahren der bayerischen Justiz.
Die Gruppe letzte Generation hat sich mitnichten gegründet,um Straftaten zu begehen, sondern um die Bundesregierung zur Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtung des 1,5 Grad-Ziels der Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter im Pariser Klima-Abkommen von 2015 zu ermahnen. Wenn dies von Mitgliedern der Bundesregierung,einschließlich dem Bundeskanzler Scholz, als „Erpressung“ bewertet wird, darf die Frage erlaubt sein, ob die Bundesregierung ihre eigene Politik noch ernst nimmt.
So wie sich die Lage momentan darstellt, wird das 1,5 Grad Ziel von der Weltgemeinschaft im Allgemeinen und der Bundesrepublik Deutschland im Besonderen grandios verfehlt werden. Die Emissionen mehrerer Sektoren steigen weiter an,anstatt zu sinken. Die Erderwärmung wird durch die steigenden Emissionen angeheizt. Ein politischer Plan, dem durch gezielte Maßnahmen entgegenzusteuern, ist nicht erkennbar.
Es darf nicht sein, dass diejenigen, die den Finger auf diese Wunde legen, mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überzogen werden. Allein die Tatsache. dass in Deutschland als einzigem Land weit und breit – mit extrem negativen Folgen- kein Tempolimit existiert, lässt das Vorgehen der Bayerischen Justiz als durchschaubare, politische Absicht und unverantwortliches Handeln im Interesse insbesondere der Autolobby erscheinen.
Wir erklären hiermit unsere Solidarität mit den vom Ermittlungsverfahren Betroffenen von der letzten Generation. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass es nach unserer Auffassung in vielerlei Hinsicht bessere Aktionsformen als undifferenzierte Straßenblockaden gibt.
Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen die letzte Generation
Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden (AKU) Wiesbaden, den 7.6.2023