Vio.Me feiert 9 Jahre Selbstverwaltung – herzlichen Glückwunsch!
Praktische Solidarität mit den Arbeiter*innen von Vio.Me kann durch den kauf ihrer Produkte auf dem diesjährigen Café Klatsch Straßenfest am 16. Juli 2022 umgesetzt werden.
Vio.Me, die seit 2012 von den Arbeiter*innen besetzte und seit 2013 in Selbstverwaltung produzierende Seifenfabrik in Thessaloníki, feierte am 3. und 4. Juni 2022 mit tausenden Unterstützer*innen ein rauschendes Fest zum 9-jährigen Betriebsjubiläum.
Die nach wie vor einzige in Griechenland existierende Fabrik in Arbeiter*innenselbstverwaltung beweist damit erneut ihr Durchhaltevermögen und die trotz der immer wiederkehrenden staatlichen Versuche das Projekt zu beenden, ungebrochene Kampfkraft und Lebensfreude der beteiligten Aktivist*innen. Mehrere Tausend Unterstützer*innen aus ganz Griechenland, Aktivist*innen sozialer Bewegungen, besetzter Häuser, Gewerkschaften und feministischer Organisationen begingen das Jubiläum mit einem alternativen Produzent*innen-Markt, Diskussionen, Film- und Theatervorführungen, Tanz und den Konzerten bekannter griechischer Musiker*innen wie Natása Bofíliou, Dimítris Zervoudákis, Thémis Karamouratídis und vieler anderer.
Repression gegen Vio.Me
Der letzte direkte staatliche Angriff auf die Fabrik war nicht unerwartet am 30. März 2020 erfolgt. Schließlich hatte die erst seit einigen Monaten amtierende neoliberal-reaktionäre Regierung unter Kyriákos Mitsotákis (Néa Dimokratía) schon im Wahlkampf harte Repression gegen anarchistische Projekte, besetzte Häuser und selbstverwaltete Fabriken angekündigt. Mit großem Polizeiaufgebot wurde Vio.Me mitten in der Quarantäne der Strom abgestellt. „Ein Kran war aufgestellt und die Aktion wurde von zwei Einheiten der Spezialeinsatzkräfte mit Gefangenentransportern durchgeführt, was eindeutig auf einen politischen Auftrag hinweist“, beschrieben die Arbeiter*innen den Angriff in einer Pressemitteilung. Sie beklagten darin auch die fehlende Solidarität der „Kollegen“ des Öffentlichen Elektrizitätsunternehmens (DEI), ohne die das Abklemmen des Stroms nicht möglich gewesen wäre.
Ein Generator für Vio.Me
In den Jahren davor hatten die Vio.Me-Arbeiter*innen und die Solidaritätsbewegung wiederholt erfolgreich die Zwangsversteigerung ihrer Fabrik verhindert. Letztendlich fand sich kein Investor, der freiwillig für viele Millionen Euro ein marodes Fabrikgelände mit kämpferischer Belegschaft ersteigert hätte. Schon im September 2019 hatten die Kolleg*innen von Vio.Me deshalb richtig vermutet, dass der nächste staatliche Angriff über die Kappung der Stromversorgung erfolgen werde, und zu einer Spendenkampagne für den Kauf eines Generators aufgerufen. Dieser wurde kurz nach der Stromkappung in Betrieb genommen.
Wirtschaftskrise macht Vio.Me zu schaffen
Trotz all dieser erfolgreich abgewehrten Repressionsversuche ist das Jahr 2022 das bisher schwierigste Jahr seit der Produktionsaufnahme 2013, wie Mákis Oikonómou, einer der Arbeiter, im Gespräch mit der linken Athener Tageszeitung Efimerída ton Syntaktón (Efsyn) vom 3.Juni 2022 erklärt. Das habe zum einen mit den immer größer werdenden ökonomischen Problemen der griechischen Bevölkerung zu tun. Zum zweiten mache Vio.Me die extreme Verteurung beim Einkauf ihrer Rohstoffe zur Herstellung der Seifen, Reinigungs- und Waschmittel zu schaffen. „Es ist schwierig im Moment. Auf gewisse Art und Weise zwingt uns die Teuerung auf die Knie. Die Menschen verfügen nur noch über das absolut Nötigste und denken gar nicht mehr über zusätzliche Einkäufe zur persönlichen Hygiene nach. Und noch früher haben wir es beim Einkauf unserer Rohstoffe gespürt, deren Preise extrem gestiegen sind. Natürlich haben wir gegengesteuert und bekämpfen die Probleme, was sollten wir auch sonst tun.“ Und Oikonómou fügt mit Sorge hinzu: „Wir sehen jedenfalls, dass auch alte, eingesessene Betriebe mit immer größeren Problemen zu kämpfen haben, und ich befürchte, dass in Griechenland erneut viele Betriebe schließen werden.“ Auf die Frage von Efsyn wie Vio.Me auf diese schwierige Situation reagiert, kommt die Antwort sofort: „Wir entwickeln ständig neue Produkte, verbessern uns, und schaffen es Schritt für Schritt voran zu kommen.“ Außerdem beliefert Vio.Me inzwischen auch ländliche Gebiete des Landes, indem Bestellungen gesammelt und mit dem eigenen Vio.Me-Transporter ausgefahren werden. „Ein Tag Westmazedonien, ein Tag Zentralgriechenland, ein Tag Athener Umfeld und so weiter.“ Immer verbunden mit der Botschaft, dass eine andere Ökonomie möglich ist. „Mit Arbeiterkontrolle der Produktion und Arbeiterselbstverwaltung der Betriebe. Wir zeigen, dass wir in der Lage sind die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen und nicht die der Bosse. Das ist unser größter Schatz, und den lassen wir uns nicht nehmen.“ Produkte von Vio.Me können in Deutschland unter anderem über verschiedene FAU-Syndikate, über die Union-Coop in Berlin, den Arbeitskreis Umwelt (AKU) Wiesbaden oder das Griechenland Solidaritätskomitee Köln (GSKK) bezogen werden.
Ralf Dreis, Thessaloníki