30.10.2016 Rede von Michael Wilk auf der Demonstration für Akzeptanz und Vielfalt – gegen Diskriminierung und Ausgrenzung

Dr. Michael Wilk für das Bündnis gegen Rechts Wiesbaden

 

Rede auf der Gegendemonstration gegen die „Demo für Alle“.

 

 

Sehr verehrte Anwesende,

„Eine Demonstration für Alle“ -das hört sich gut an, das gaukelt Breite und Offenheit vor, und doch ist es genau das Gegenteil. Hinter der vordergründigen Kritik an Lehrplänen und Sexualkundeunterricht, verbirgt sich ein menschenfeindliches Weltbild der Ausgrenzung und Diskriminierung. Das ultrakonservative Werteschema, dass die VeranstalterInnen dieses Aufzugs zum allgemeingültigen Maßstab erheben wollen-  wertet nicht nur jene ab, die Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität nicht die gesetzten moralischen Vorgaben erfüllen,- gemeint und angegriffen werden alle, die der Meinung sind, dass Schwul, Lesbisch, Bi, Trans und Queer ganz selbstverständlich zur Vielfalt einer Gesellschaft gehören.                                                                                                                 Es geht in diesem Sinne eben nicht um „Toleranz“, i.S. einer „gnädigen“ Duldung gegenüber einer Abweichung vom Mainstream, in dem das Mehrheitsverhalten immer noch zur Norm erhoben wird.                                                                                                                                    Die offene Akzeptanz von Vielfalt sexueller Ausrichtung ist ein Moment von Freiheit um die lange gestritten und gekämpft wurde (und wird). Dass sie nunmehr endlich Eingang und Niederschlag in die Lehrpläne des Kultusministeriums gefunden hat, ist ein Ergebnis dieser beharrlichen Auseinandersetzung, flankiert durch wissenschaftliche Erkenntnis einer Sexualpädagogik, die sich sinnigerweise von reinen biologischen Aspekten der Aufklärung entfernt hat.

Respekt und Akzeptanz gegenüber der Vielfältigkeit sexueller und geschlechtlicher Orientierung sind elementare Bestandteile einer freien humanen Gesellschaft. Leider wird diese Tatsache noch nicht von allen Menschen geteilt. Es gibt hierzulande noch viele, die sich schwer tun am Thema Sexualität. Sei es, weil ihnen die Sozialisation enge Grenzen in Wahrnehmung, Verhalten und Empfinden gepresst hat, sei es, weil sie sich nicht trauen ihre eigenen Bedürfnisse ohne repressive Filter auszuleben, oder es zumindest anderen zuzugestehen.  Hier setzen jene an, die zu einer „Demo für Alle“ aufrufen und die nicht davor zu rückschrecken alles als „Genderwahn und Übersexualisierung“ zu diffamieren, was ihnen nicht ins reaktionäre Weltbild passt. Sie geben sich den Anschein breite Schichten zu vertreten, sie bemühen konservativ-religiöser Werte und scheuen nicht davor zurück, die drohende Entrechtung deutscher Eltern und das Ende der Familie als Schreckensbild zu entwerfen. Die Verantwortlichen der „Demo für alle“ mobilisieren Ängste und Unsicherheit, sie konstruieren absurde Argumentationsketten, die mit der Unterstellung einer beabsichtigten Indoktrination, einer Frühsexualisierung und eines Genderwahns beginnen und mit nicht weniger enden, als der Bedrohung des deutschen Volkes und des Christlichen Abendlandes.

Diese Parolen kennen wir: Nicht von ungefähr finden sich in der Kerngruppe der OrganisatorInnen Spitzenfiguren der rechten Szene (das Ehepaar von Storch, AfD, z.B.), die im Verbund mit ultrakonservativen, fundamental-christlichen Gruppen versuchen, ein Schema zu bedienen, welches auch in der Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Vertreibung zum Einsatz kommt.

Wer sich mit den Schriften und Reden der selbsternannten „Familienschützer“  beschäftigt, erkennt schnell das gleiche Muster: Ängste und Unsicherheit werden aufgenommen, durch Propaganda und Fehlinformationen verstärkt und dann ideologisch umgelenkt. Nur sind es diesmal nicht die Fremden, die Geflohenen, die das deutsche Wertesystem bedrohen. Diesmal sind die Schwulen, die Lesben, die Bi, Trans und Queer, die ÜbeltäterInnen (die Kranken wie Herr Höcke sagt).

Die perfide Strategie Gruppen von Menschen als Bedrohung des sogenannten „Volkskörpers“ (Alexander Gauland) aufzubauen, gehört zu den Klassikern autoritären Herrschaftshandelns. Es wird eine Abwehrreaktion auf Menschen forciert, die als Minderheiten zu Störenfrieden der sozialen Gemeinschaft erklärt werden, seien es Fremde, Geflohene, Sozialhilfeempfangende, Menschen anderer Hautfarbe oder eben Homosexuelle, (vielleicht auch bald wieder Menschen mit Behinderung oder auch Alte, unproduktive). Dies macht herrschaftsstrategisch jedoch nur Sinn, wenn man sich selber als Lösung des Problems anbietet. Als Behüter der Familie, der Moral, der Kultur – eben all dessen, was gefährdet erscheint.

Die OrganisatorInnen der „Demo für alle“ habe das im Angebot: Mit der Abwertung der Homosexuellen, der Kranken und Perversen, der Trans und Queer Abartigen (Homosexuelle sind „unnormal“, „widernatürlich“ und „genetisch degeneriert“, so der Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer im Jahr 2014) verbindet sich das Angebot eigener Aufwertung- vorausgesetzt man ist eben normal, sexuell gesund, deutsch und gläubig. So eklig und krank die Anderen- so gesund ist man selbst. Analog zur Stabilisierung eines angeschlagenen Selbstwerts durch nationale Zugehörigkeitsgefühle und „Wir-sind-das-Volk“ Parolen, wird diesmal Verunsicherung und Angst mit dem Angebot einer verbindenden, sauberen, deutsch-christlichen Moral begegnet.

Völkisch nationale Hetze im Moralgewand, Ausgrenzung und Diskriminierung sexueller Vielfalt sind kein Selbstzweck, sondern haben das Ziel den gesellschaftlich-politischen Diskurs nach völkisch-rechts zu verschieben.

So ist es eben kein Zufall, dass neben den Bündnispartnern der Demo für Alle, Gruppen aus dem ultrarechten, nationalistischen und identitären Spektrum mobilisieren und aufrufen. Zu nennen sind unter anderem die NPD-Hessen, die Identitäre Bewegung Hessen, Autonome Nationalisten Groß-Gerau, Mitglieder des Bündnis Deutscher Patrioten, die Pegida Darmstadt-Südhessen u.a..

Spätestens hier sollte klar sein, dass ein differenzierter Umgang mit der „Demo für Alle und ihren Anhängern erforderlich ist. So wie ich einerseits die Notwendigkeit sehe, den einzelnen verunsicherten und ängstlichen Menschen mit Offenheit und Diskussionsbereitschaft zu begegnen, so sehe ich andererseits die klare Notwendigkeit einer möglichst gemeinsamen und geschlossenen Ablehnung und des Widerstands gegenüber dem Versuch, das Thema Sexualität als Vehikel zur Verbreiterung menschenverachtender völkisch-nationalistischer Parolen zu benutzen.

Es gilt den OrganisatorInnen der „Demo für Alle“ eine klare Abfuhr zu erteilen- gemäß der Prämisse: Keinen Fußbreit für die Feinde der Freiheit. Stellen wir uns diesen Menschen entgegen.