Rede am 10.03.2024 am AKW- Neckarwestheim auf der Kundgebung zum 13. Jahrestag des Super-Gau in Fukushima

Hallo Leute,

wir sind heute hier um an die atomare Katastrophe von Fukushima zu erinnern und gleichzeitig dem erneuten Ruf nach Rückkehr der Atomkraft eine klare Absage zu erteilen.
Es wird argumentiert, dass die Atomkraft ein unverzichtbares Mittel gegen die Klimaveränderung sei. Mal davon abgesehen, dass dieses Narrativ so nicht stimmt, da der Wiedereinstieg in die Atomkraft viel zu langsam nicht zur Lösung der Klimaprobleme beiträgt. Es wird ausgeblendet und verschwiegen, dass die Atomkraft weder in Abbau noch im Transport von Uran oder in der Produktion von Brennstäben klimaneutral ist. Atomkraft ist zu teuer und selbst die Energieunternehmen haben kein Interesse, wieder in die Atomkraft einzusteigen.

Ausgeblendet wird auch, dass es innerhalb der nächsten Jahrzehnte keine Lösungen für den schon vorhandenen Atommüll gibt und wir mit den bestehenden 16 Zwischenlagern und den damit verbundenen Risiken und dem Gefahrenpotenzial z.B. durch kriegerische und terroristische Angriffe, leben müssen. Außerdem gibt es da ja noch die Atomfabriken in Gronau und Lingen, sie waren nicht Teil des Atomausstiegs. Im Gegenteil – die Produktion von Brennelementen und die der Urananreicherung- zur Versorgung internationaler ziviler und militärischer Atomwirtschaft soll ausgebaut werden. Dadurch will Deutschland sich die Option eigener Atomwaffenproduktion offen halten. (Nebenbei bemerkt: es besteht eine Kooperation zwischen dem Besitzer der Brennelementefabrik Lingen, der Firma Framatom, Tochtergesellschaft des französischen Staatskonzern EDF , und dem russischen Staatskonzern Rosatom.)

Was dem Klima mehr nützen würde und wesentlich zur CO² Reduktion beiträgt, ist eine konsequente Energiewende hin zu Erneuerbaren und eine konsequente Verkehrswende. Weg vom priorisierten Individualverkehr hin zur Stärkung und dem Ausbau des ÖPNV in Stadt und Land.

Was wir brauchen sind nicht nur die individuellen Bemühungen einzelner, wie bewusster Konsum oder veränderte Ernährungs- und Mobilitätsverhalten, das wird nicht wirklich zielführend sein, sondern es braucht strukturelle Veränderungen.

Ein sehr schnelles und wirksames Mittel zur CO² – Minimierung wäre die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen. Ein Sakrileg in Deutschland! Wo doch mit dem Auto und dem ungebremsten Rasen auf Autobahnen die „Freiheit“ verteidigt wird. Makaber!

Und vergessen wir bei diesem Thema auch nicht die soziale Gerechtigkeit, denn die Risiken und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels sind ungleich in unserer Gesellschaft verteilt. Reiche und Superreiche können sich finanziell schnell und problemlos an neue Lebensbedingungen anpassen, was weder dem Mittelstand und schon gar nicht den Armen innerhalb der Bevölkerung gelingen wird.

Die Schlussfolgerung kann nur sein, dass soziale Gerechtigkeit auch bedeutet, dass Reiche und Superreiche einen größeren finanziellen Beitrag leisten müssen. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer wäre z.B. eine Maßnahme!

Neben der Klimadebatte gibt es weitere wichtige und aktuelle Themen, wie der gesellschaftliche Rechtsruck und die gesellschaftliche Militarisierung, gepaart mit einer enormen Rüstungsspirale.

Doch die derzeit größte innenpolitische Herausforderung ist der gesellschaftliche Rechtsruck und das Erstarken von rechtspopulistischen Parteien.

Zweifellos ist die AfD der parlamentarische Arm des rassistischen und rechten Terrors. Sie bildet die Keimzelle eines neuen Faschismus in Deutschland. Es geht ihr um rechte Hetze, Rassismus, Antifeminismus, Antisemitismus und die Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus.
Ihre Positionen zu sozialen und ökologischen Fragen sind existenzbedrohend. Sie greift das Prinzip der Menschenwürde frontal an und es gipfelt in ihre Planung der Vertreibung von Millionen Menschen.
Die AfD ist nur die Spitze des Eisberges. Die völkisch-nationalistische Rhetorik wie die Begriffe Volk, Nation und der Kampf zur Verteidigung angeblich christlicher Werte gehören längst auch zum populistischen Repertoire der etablierten aktuell regierenden Parteien.

Politiker:innen reden viel und gerne von der Verteidigung der Menschenrechte und das jedes Leben zähle, doch gleichzeitig werden politische Entscheidungen getroffen, die im krassen Widerspruch dazu stehen.
Beispielhaft genannt seien hierfür u.a.:
• die Zustimmung Deutschlands zum EU-Asylkompromiss, der schärfere Asylregeln vorzieht, wie Schnellverfahren und Internierung an Europas Außengrenzen
oder
• die Verschärfung der Abschieberegeln, wonach die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams- (Knast) von 10 auf 28 Tage erhöht wurde, die Polizei darf in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume, als der von Abschiebung Betroffenen durchsuchen.
oder
• Die tolerierten Pushbacks an den EU-Außengrenzen Polen – Belarus, Griechenland – Türkei
oder
• das Ertrinkenlassen tausender Menschen im Mittelmeer
und vieles mehr.

zu den Fluchtursachen
Menschen flüchten aus Angst vor Krieg,Tod, Folter, politischer Verfolgung, Hunger oder wegen existenz-bedrohender klimatischer Veränderungen, wie Dürren und Überschwemmungen. Die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit sind die entscheidenden Beweggründe und nicht das Sozialsystem in Deutschland.
Geflüchtete, die vor Krieg und Armut fliehen, werden ihre Entscheidung zur Flucht sicherlich auch nicht davon abhängig machen, ob in einem Land die Auszahlung von staatlichen Leistungen in bar oder mittels einer Bezahlkarte erfolgt.
Sie wird nur ein weiteres Diskriminierungsinstrument sein um geflüchteten Menschen das Leben schwer zu machen. Denn eine Beschränkung des Bargeldes schränkt die Möglichkeit der selbstständigen Lebensgestaltung ein. Mit dieser Bezahlkarte, so die Planung, können wahrscheinlich keine Über-weisungen getätigt werden. Völlig absurd, da dies dem Lebensalltag widerspricht, wo viele Dinge nur per Überweisung oder Einzugsermächtigungen möglich sind, z.B. Handyverträge oder Anwaltskosten. Das ist nicht nur schäbig, sondern auch menschenrechtlich zweifelhaft und bedient einmal mehr das rechtspopulistische Narrativ .

Es gibt ein Rassismusproblem – kein Flüchtlingsproblem!
Enthemmung und steigender Alltagsrassismus reichen bis in alle Bereiche der Gesellschaft, behördlicher Verwaltungen und Institutionen. Die gestiegene Akzeptanz oder auch Ignoranz gegenüber rassistischen Äußerungen und die Übernahme rechter Sprachmuster haben gravierende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Minderheiten.
Ein Stilmittel von Populisten jeder Couleur ist, verletzende, menschenverachtende Äußerungen zu machen und bei Protest dann einen Rückzieher ( nach dem Motto „war nicht so gemeint“) um sie dann zu wiederholen. Es ist ein Austesten des sag-baren, inwieweit die Zivilgesellschaft rassistische und diskriminierende Sprechweisen achselzuckend hinnimmt.
Durch die im Januar veröffentlichen Recherche des Netzweks Correctiv zum Potsdamer Treffen rechter Parteien und Einzelpersonen deren Pläne zur Re-migration sind erfreulicherweise viele Bürger:innen aufgewacht und demonstrieren gegen Rechts und für den Erhalt der Demokratie.
„Die Shoah begann nicht mit den Waffen, sie begann mit schweigen und wegschauen der Gesellschaft.“ ein sehr treffendes Zitat der Auschwitz – Überlebende Eva Siepesi

Hinschauen, einmischen und Haltung zeigen für die universellen Menschenrechte und die Menschenwürde. Und nicht den Erzählungen der Populisten Glauben schenken, dass Geflüchtete und andere Minderheiten für die vorhandenen gesellschaftlichen Probleme verantwortlich sind.
Für die vorhandenen gesellschaftlichen Probleme wie Billiglöhne, Altersarmut, Gentrifizierung und unbezahlbarer Wohnraum sind weder die Geflüchteten noch andere gesellschaftlichen Minderheiten verantwortlich.
Betroffen von diesen Problemen sind Menschen mit mittlerem, geringem oder gar keinem Einkommen ob mit oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse kann nur durch den gemeinsamen Kampf für die Grundrechte, für bessere Löhne und für eine sozial gerechte Verteilung von gesellschaftlichem Vermögen sein, damit wir es schaffen eine sozial gerechtere Gesellschaft aufzubauen.


Auch die populistische Hetze gegen Erwerbslose und das Bürgergeld (früher als Hartz IV bekannt) erfährt in den letzten Wochen und Monaten ein Revival.
Seit Monaten wird von der Union eine unsägliche Stimmungsmache gegen Bürgergeldbeziehende betrieben. Es wird wieder das Märchen von der bequemen sozialen Hängematte, von grassierendem Missbrauch der Sozialleistungen erzählt, ohne irgendwelche Belege.
Mit solchen Erzählungen soll der Sozialneid gegenüber Erwerbslosen geschürt werden. Auch die Überlegungen eines Herrn Söder hinsichtlich einer Abschaffung des Bürgergeldes zur Finanzierung der Militärausgaben sind nur noch widerlich und entschieden zurück zuweisen. Erwähnt sei nur noch, dass die AfD die Abschaffung des Bürgergeldes schon länger fordert.

Finanzierung und Aufrüstung der Bundeswehr bringt mich zum Thema Militarisierung und Rüstungsspirale.

Militarisierung und Rüstungsspirale
Seit dem russischen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat eine zunehmende Militarisierung in Politik und Gesellschaft stattgefunden.
In den Nachrichten findet fast täglich eine Frontberichterstattung über die Zerstörung von Häusern und die Zahl der Todesopfer, gepaart mit Informationen zu Waffensystemen, Militärstrategien und die Wichtigkeit von Waffenlieferung statt.
Die Berichte von den unvorstellbaren Leiden eines Krieges, wie Angst, Hunger, Vertreibung, Verstümmlung und Tod kommen täglich in unsere Wohnzimmer. Alles Gründe, die Menschen weltweit zur Flucht treiben. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu mehr Empathie gegenüber geflüchtete Menschen und auch nicht dazu, dass die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Fokus politischen Handelns gestellt würde.
Nein, die politische Diskussion dreht sich mehr um Waffenlieferungen und welche Waffen geliefert werden sollen oder über die Notwendigkeit von Atomwaffen. Absurd, angesichts des bereits bestehenden atomaren Bedrohungspotenzials durch die bestehenden AKWs in den Kriegsgebieten, welche schon militärstrategisch eingebunden sind. Sämtliche Abrüstungsinitiativen der letzten Jahre sind anscheinend auf der Müllhalde der Geschichte gelandet und in unendliche Ferne gerückt.


Militarisierung und Aufrüstung werden in der Bevölkerung mehr oder weniger achselzuckend hingenommen. Eine kritische Hinterfragung findet kaum statt. Es schleicht sich eher ein Ohnmachtsgefühl ein, wegen des mangels an realistischer friedenspolitischer Ideen und Initiativen.
Eine weitere Begleiterscheinung von Krieg, ist das Erstarken von autoritären Strukturen und Nationalismus. Alles Gift für eine demokratische Gesellschaft. Kritik oder Hinterfragung von Militär oder die Forderung nach Kriegsdienstverweigerung wird in Russland und in der Ukraine als Hochverrat angesehen und verfolgt.
Umso wichtiger ist es, sich gegen eine Verfolgung von Kriegsdienstverweiger:innen und Deserteur:innen in Russland, Belarus und Ukraine auszusprechen und für ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, und das weltweit.
Fakt ist auch, das autoritäre – mörderische Herrschaftssysteme keinen Widerspruch dulden, das sie terrorisieren, foltern und auch letztlich nicht vor Massenmord zurück schrecken. Diese Verbrechen werden jedoch regelhaft von Politik und Konzernen ausgeblendet, wenn es um Handelsbeziehungen, als Sicherung des Profits und auch der eigenen politischen Vorteils geht. Als politökonomische Maxime stehen Gewinn und Macht weit über den Menschenrechten.
Profiteure eines Krieges sind in besonderem Maße die Rüstungsunternehmen. Ihre Gewinne und Aktienkurse steigen. Der Rüstungsindustrie ist es egal, wer bestellt – Hauptsache, die Auftragsbücher sind voll. Bis 2014 lieferte die deutsche Rüstungsindustrie auch Waffen nach Russland.
Verlierer ist immer die überlebende Bevölkerung der jeweiligen Kriegsländer/ Kriegsparteien. Sie haben Angehörige verloren, sind physisch und/oder psychisch krank, müssen traumatische Erlebnisse verarbeiten und ihre Lebensgrundlagen neu aufbauen.

Es gibt viele weitere kriegerische Auseinandersetzungen auf der Erde, die wenig oder kaum Beachtung in den Nachrichten erfahren. Aber außer dem Krieg Ukraine – Russland ist aktuell auch der Krieg in Nahost in den täglichen Nachrichten.

Ich weiß, jedes Statement beinhaltet auch gleichzeitig soviel Ungesagtes und dennoch möchte ich paar Worte dazu sagen.
Seit dem brutalen, grausamen Überfall der Hamas auf ein israelisches Musikfestival mit 1200 Todes-opfern und die Geiselnahme von 240 Frauen, Männern und Kindern und der Gegenreaktion des israelischen Militärs, das tausenden Menschen im Gazastreifen das Leben gekostet hat und zu Millionen Binnenflüchtlingen, innerhalb des Gazastreifens geführt hat, ist die politische Debatte aufgeheizt und die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus.

Was aber nicht zu akzeptieren ist, ist die Verantwortlichmachung aller Jüdinnen und Juden – egal wo sie leben oder welche Staatsangehörigkeit sie besitzen – für die israelische Regierungspolitik. Und andererseits ist auch nicht zu akzeptieren, dass Palästinenser:innen mit berechtigten politischen Forderungen pauschal als Hamas-Sympathisant:innen diffamiert werden. Gerade in sich zugespitzten und schwierigen Situationen muss eine emanzipatorische und progressive Haltung vertreten werden ohne in Antisemitismus zu verfallen.
Ein Zitat von Zey von der Organisation Palestinians and Jews for Peace bringt die Problematik auf den Punkt.
„ Die Sicherheit der Israelis braucht die Freiheit der Palästinenser:innen. Und die Freiheit der Palästinenser:innen braucht die Sicherheit der Israelis.“

An den derzeit im Mittelpunkt stehenden Kriegen, wird auch die sehr unterschiedliche Betroffenheit von Männern und Frauen sichtbar.
Vor zwei Tagen war der Internationale Frauentag, weshalb ich besonders darauf aufmerksam machen möchte, dass in allen Kriegen und militärischen Konflikten besonders Frauen und Mädchen häufig von grausamen sexualisierten Gewaltexzessen betroffen sind. Geschuldet ist dies immer noch einem alten tradiertem patriarchalen Geschlechterbild, verbunden mit einer sog. Familienehre.
Die Anwendung sexualisierter Gewalt soll den Gegner demütigen und dessen soziales Gefüge zerstören. Betroffene Frauen und Mädchen verschweigen oftmals die Vergewaltigung – sofern sie nicht öffentlich war- um sich keiner eventuellen Stigmatisierung und Ausgrenzung in ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen auszusetzen.
Auch wenn mittlerweile Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen ist, gibt es kaum eine Strafverfolgung und die Täter gehen in der Regel straffrei aus.

Neben Militarisierung, Klimaveränderung, Rechtsruck und Migrationspolitik gibt es noch viele weitere wichtige Themen, wie beispielsweise eine gerechte Wohnungspolitik, die unverhältnismäßige Kriminalisierung von Klimaschützer:innen, Pressefreiheit in Europa und Deutschland (Julian Assange) und vieles mehr.
Wir stehen vor großen Herausforderungen und schnell schleicht sich auch mal ein Gefühl von Ohnmacht ein, angesichts all dieser Probleme. Doch nichts tun ist keine Option! Also lasst uns für eine bessere und glücklichere Welt streiten und Bekämpfen wir Herrschaft und Ausbeutung – Ursachen für Flucht und Vertreibung.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Eure Aufmerksamkeit.