Yalla Yalla Antifascista ! Redebeitrag vom Flüchtlingsrat Thüringen am 06.02.2020
Liebe Freundinnen und Freunde,
Gestern erlebten wir einen Dammbruch, Ja. Gestern hatte sich offen gezeigt, dass die vermeintlich bürgerliche Mitte von CDU und AFDP nicht davor zurück schreckt, den offenen Schulterschluss mit den Faschisten und Rassisten der AFD zu suchen. Es war ein Schock. Und heute rudert Kemmerich zurück. Doch eigentlich sollte uns dies ganze parlamentarische Schauspiel nicht sonderlich überraschen. Seit Jahren schon und insbesondere im Wahlkampf vergangenes Jahr machen die Faschisten und Rassisten im Thüringer Landtag Hand in Hand Politik gegen Schutzsuchende, Geflüchtete und Migrant*innen hier in Thüringen und in der Bundesrepublik.
Deutschlands Kultur der Abschiebungen, Internierung und Deportationen hat nicht gestern oder heute begonnen, aber sie muss hier und jetzt gestoppt werden.
Sie ist das, was von Auschwitz bleibt. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz paktieren vermeintlich bürgerliche Parteien erneut offen mit Faschisten. Abschiebungen, Lagerunterbringung, Deportation, Entrechtung, Polizeigewalt, Folter, Mord und Sklaverei, all dies erleben wir im Gewand einer menschenfeindlichen Migrationspolitik heute erneut. Von allem gibt es Bilder, Videos und Berichte. Niemand wird heute behaupten können, von allem nichts gewusst zu haben.
Wir müssen gemeinsam lauter werden. Denn unser Schweigen wird uns nicht länger schützen! Es ist an uns allen für eine bessere, eine solidarisch-gerechte Welt zu kämpfen und dem rassistischen Mob im Thüringer Landtag ein Ende zu bereiten! Die aktuellen Zustände schreien nach Veränderung und Solidarität ist dabei unsere wichtigste Waffe. Von den europäischen Außengrenzen über die Lager und Camps bis in die örtlichen Abschiebebehörden: allzu oft ist es die Angst vor dem staatlichen Handeln von Regierung, Verwaltung und Behörden, die Angst vor willkürlichen Durchsuchungen, den Arbeitsverboten und die Angst vor nächtlichen Abschiebungen, die die Menschen zermürbt und ein Ankommen unmöglich macht.
Die autoritäre Politik hat längst ihre Position gefunden und profiliert sich durch Gewalt gegen Migrant*innen. Die rechte Härte des Ertrinken- und Verhungern Lassens, der Entrechtung in den Lagern und in den Behörden wird hier aber nicht Halt machen. Ihr Rassismus ist soziale Gewalt: Es geht um weitere Abstumpfung gegenüber einer Brutalisierung der Gesellschaften, um Gewöhnung an Hunger, Ausbeutung, Elend und Gewalt. Dafür stehen Kemmerich, die CDU, FDP, AFD und die Bundeskoalition.
Kein Mensch sollte im Mittelmeer ertrinken müssen, weil er kein Visum bekommen, oder schlicht und einfach nicht in ein Flugzeug oder eine Fähre steigen darf, während Europas Regierungen ihre Politik der Abschottung, Internierung und Deportation vorantreiben und Menschen sehenden Auges sterben lassen. Kein Mensch sollte in Elend und Tod abgeschoben werden, weil die Politik fürchtet, Wähler*innen an rechtsradikale Parteien zu verlieren.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, behauptet unser Grundgesetz. Nicht die Würde des weißen Deutschen oder europäischen Passinhabers. Doch mit dem Durchmarsch der Rassisten und Faschisten im Thüringer Landtag ist sie erneut antastbar geworden. Machen wir uns nichts vor, es handelt sich nicht allein um einen Dammbruch und einen Durchmarsch von rechts, sondern um einen Durchmarsch NACH rechts, den alle etablierten Parteien in den letzten Jahren vollzogen haben. An den europäischen Außengrenzen und in den lokalen Behörden sind längst alle Dämme gebrochen, wenn die Abschiebebehörden in Thüringen selbst nicht davor zurückschrecken, unbegleitete Minderjährige gewaltsam und allein, an Händen und Füßen gefesselt aus einer Jugendhilfeeinrichtung abzuschieben, Familien auseinander- und Kinder Nachts aus ihren Betten zu reißen. Das ist nicht allein der Verdienst der AFD. Das ist Ausdruck einer rassistischen Kontinuität. Die anhaltende Politik der Abschreckung und Abschottung, der Entrechtung und Deportation, der Gesetzesverschärfungen und rassistischen Sondergesetzgebung liefert den Nährboden für eine weitere Faschisierung der Gesellschaften.
Wenn eine Abschiebung vollstreckt wird, ist dies das letzte Glied in der Kette einer Politik der Abschreckung und Abschottung. Sie ist der letzte Ring der kolonialen Ungerechtigkeit. Die rassistische und mörderische Politik, die die Faschisten Hand in Hand mit der vermeintlich bürgerlichen Mitte repräsentieren, ist dazu da, das letzte Glied in der Kette zu legitimieren, strukturelle und physische Gewalt gegen Migrant*innen zu legalisieren und weitere Massenabschiebungen zu ermöglichen. Darum bleibt es dabei: Wir kämpfen weiter gegen alle rassistischen Angriffe, gegen jede Abschiebung und für jedes Boot. Jede verhinderte Abschiebung ist ein Schlag ins Gesicht der Faschisten. Darum stehen wir als Flüchtlingsrat Thüringen weiter solidarisch für alle Menschen auf der Flucht und auf der Seite aller, die für Bewegungsfreiheit und Bleiberechte kämpfen, bedingungslos und von Anfang an!
Als gemeinsamen Fluchtpunkt sehen wir eine starke Antirassistische und Antifaschistische Bewegung, die bereit ist, die Steine aus den Mauern der Festung Europa zu schlagen und mit ihnen eine Brücke zu bauen. Eine Brücke, die unsere Kämpfe gegen den Faschismus, gegen Abschiebungen und für Bleiberechte verbindet. Die Antwort auf das gestrige Schauspiel ist der Aufbau und die Unterstützung von Selbstorganisation und unabhängiger Strukturen in Thüringen, die den täglichen Kampf gegen Abschiebung und Rassismus ins Zentrum ihrer Proteste stellen. Denn nichts passiert ohne hartnäckigen Widerstand!
Wir sind mittendrin in einem Kampf um die Zukunft – um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben werden. Wir fordern darum hier und jetzt ein Ende der rassistischen Sondergesetzgebung und kämpfen weiterhin für das Recht zu kommen, zu gehen und zu bleiben. Wir werden nicht müde, grenzenlos für eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Abschiebung zu kämpfen.
Yalla Yalla Antifascista !